VCD kritisiert massive Verschlechterungen bei Stadtbahn Heilbronn zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022 – Anzahl der S4-Fahrten wird halbiert und 15-Minuten-Takt zerstört

Der ökologische Verkehrsclub Deutschland VCD in der Region Hall-Heilbronn-Hohenlohe kritisiert die massiven Verschlechterungen beim Angebot der Stadtbahn Heilbronn zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2022 auf der Linie S4, die vom Land Baden-Württemberg gegen den Willen der Region und der betroffenen Kommunen durchgesetzt werden. „Inzwischen sind die Fahrpläne für die Ost-West-Strecke der Stadtbahn Heilbronn im Internet abrufbar, und wir sind zutiefst erschüttert“, sagt VCD-Vorstand Hans-Martin Sauter. Gab es bislang im Prinzip einen 15-Minuten-Takt mit stündlich vier Fahrten der S4 zwischen Schwaigern, Leingarten, Heilbronn-Innenstadt und Heilbronn-Pfühlpark beziehungsweise Weinsberg, wird das Angebot künftig außerhalb der Hauptverkehrszeiten auf zwei Fahrten je Stunde halbiert. „Es ist für die Fahrgäste nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet in Zeiten der Klimakrise der seit Jahrzehnten eingeführte und gut genutzte Taktfahrplan auf der S4 zerstört und das Angebot insbesondere zwischen Leingarten, Heilbronn und Weinsberg massiv ausgedünnt wird“, stellt Sauter fest. Unter den Kürzungen werden nach VCD-Ansicht auch Tausende Schüler*innen leiden, die weiterführende Schulen in Heilbronn oder das Berufsschulzentrum in Böckingen besuchen. Sauter: „Wir brauchen keinen Rückbau der S-Bahn in Heilbronn, sondern im Gegenteil einen weiteren Ausbau. Zudem muss der 15-Minuten-Takt im Innenbereich erhalten und weiter ausgebaut werden.“ Die Stadtbahnen sollten in der Hauptverkehrszeit mindestens im 15-Minuten-Takt zwischen Schwaigern und Eschenau fahren. Auch abends und am Wochenende fordert der VCD einen durchgehenden Halbstundentakt zwischen Öhringen und Schwaigern statt bislang nur stündliche Fahrten.

Ende einer Ära: Der S4-Eilzug von Weinsberg bis Karlsruhe sowie die bisherigen Sprinter-Züge entfallen ab Dezember 2022 komplett. Weinsberg, aber auch Leingarten verliert seine schnellen Verbindungen nach Karlsruhe. Der schnelle Wechsel zwischen S4-Eilzug und RE von/nach Crailsheim und Nürnberg im Bahnhof Weinsberg ist nicht mehr möglich. ©SCRITTI

Anlass für die Verschlechterungen ist die Einführung des neuen RegionalExpress RE 45, der nun immer zur halben Stunde von Heilbronn Hbf direkt bis Karlsruhe Hbf fährt und dem der bisher um eine halbe Stunde versetzt verkehrende S4-Eilzug zum Opfer fällt. Dieser bindet bislang Karlsruhe und die Kraichgaubahn zur vollen Stunde an den Taktknoten in Heilbronn Hbf mit Anschlüssen in alle Richtungen an und fährt weiter durch die Heilbronner Innenstadt bis Weinsberg. Der VCD begrüßt ausdrücklich die Einführung der schnellen RE-Verbindung von Heilbronn Hbf nach Karlsruhe Hbf. Allerdings sollte diese eine zusätzliche Verbesserung für die Fahrgäste sein und nicht dazu führen, dass ganze Kommunen über Nacht vom Bahnverkehr abgehängt werden.

Der VCD hatte sich seit Jahresbeginn mehrfach an die verantwortliche Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) und das Landesverkehrsministerium mit Fahrplananträgen gewandt, um die schlimmsten Verschlechterungen noch abzuwenden. Doch ohne Erfolg. Wie unter solchen Voraussetzungen in der Region Heilbronn und im Land Baden-Württemberg die dringend notwendige Verkehrswende herbeigeführt werden soll, ist für den VCD nicht ersichtlich. „Während andernorts S-Bahn-Takte verdichtet werden, wird in Heilbronn der existierende 15-Minuten-Takt vom grün geführten Verkehrsministerium einfach abgeschafft“, stellt Hans-Martin Sauter enttäuscht fest. „Stadt- und Landkreis Heilbronn müssen sich umgehend mit dem Land zusammensetzen und ein Konzept für die Zukunft der S-Bahn in Heilbronn ausarbeiten“, fordert Sauter.

Der VCD kritisiert die schlimmsten Verschlechterungen:

  • Die Fahrplanlage des heutigen S4-Eilzuges mit Ankunft vor der vollen Stunde in Heilbronn-Hbf und Abfahrt nach der vollen Stunde entfällt komplett. Damit wird die Kraichgaubahn von sämtlichen Anschlüssen zur vollen Stunde in Heilbronn Hbf dauerhaft abgehängt.
  • Zwischen Weinsberg und Heilbronn wird die Zahl der S4-Fahrten von aktuell drei pro Stunde mit Verdichtungen in den Stoßzeiten auf meist zwei reduziert. Die schnelle Direktverbindung mit dem bisherigen S4-Eilzug von Weinsberg bis Karlsruhe entfällt komplett.
  • Fahrten zwischen Heilbronn-Pfühlpark, der Heilbronner Innenstadt und Leingarten werden von aktuell vier pro Stunde auf meist nur noch zwei halbiert. Der bisherige annähernde 15-Minuten-Takt in diesem Bereich wird zerstört.
  • Der bisherige direkte Übergang in Weinsberg zwischen S4-Eilzug und RE von/nach Schwäbisch Hall / Crailsheim entfällt. Die bisherige schnelle Reisekette von Karlsruhe über Heilbronn, Schwäbisch Hall und Crailsheim bis Nürnberg wird zerstört.
  • Eine fast drei Stunden dauernde, extrem verspätungsanfällige Straßenbahn-Langfahrt von Öhringen-Cappel bis Karlsruhe Albtalbahnhof mit allen Unterwegshalten wird neu eingeführt. Dabei zeigt die Erfahrung der letzten 20 Jahre, dass gerade die Langläufer mit Fahrten durch die Innenstädte als Straßenbahn immer wieder zu Verspätungen führen.
  • Die Kürzungen im S-Bahn-Angebot haben auch massive Auswirkungen auf die Busanschlüsse, die nun vielerorts nicht mehr funktionieren und – falls überhaupt möglich – anders organisiert werden müssen. Auch abends gibt es nun Probleme mit Busanschlüssen, da auch hier Fahrplanlagen unnötigerweise um 30 Minuten verschoben werden. So fuhren bisher am Abend die Stadtbahnen in Weinsberg zeitgleich zur Minute :30, was optimale Busanschlüsse ermöglichte. Künftig verkehrt die Stadtbahn in Richtung Öhringen zur halben Stunde, jene nach Heilbronn zur vollen Stunde.

Leingarten wird weitgehend abgehängt

Besonders hart trifft es Leingarten an der Kraichgaubahn, da anders als der bisherige S4-Eilzug der neue RE 45 dort nicht halten wird. Das bedeutet, weder zur halben Stunde noch zur vollen Stunde werden in Zukunft von Leingarten aus die wichtigen Anschlüsse im Hauptbahnhof Heilbronn erreicht. Die Fahrt von Leingarten nach Lauffen etwa verlängert sich von heute 20 Minuten auf 34 bis 44 Minuten mit Wartezeiten in Heilbronn von bis zu 26 Minuten! Um von Leingarten nach Heidelberg zu fahren, benötigt man in Zukunft mindestens 1:35 Std bis 1:45 Std mit langen Wartezeiten oder zweimal Umsteigen statt heute in 1:24 Std mit direktem Anschluss an den RE 10 in Heilbronn-Hbf zur vollen Stunde.

Von Eppingen kann man aktuell zweimal in der Stunde in 36 oder 46 Minuten nach Lauffen fahren, ab Dezember geht dies meist nur noch einmal in der Stunde mit dem RE 45 und dauert 39 Minuten.

Der neue RE von Heilbronn Hbf über die Kraichgaubahn nach Karlsruhe Hbf wird von DB Regio mit Fahrzeugen vom Typ Alstom Coradia Continental gefahren. ©SCRITTI

Das Land Baden-Württemberg behauptet immer, wegen der fehlenden Zweigleisigkeit zwischen Leingarten und Schwaigern könne der neue RE 45 in Leingarten nicht halten. Der VCD kann diese Argumentation zumindest in Fahrtrichtung Heilbronn nicht nachvollziehen, da die Strecke hier zweigleisig ausgebaut ist und in Heilbronn Hbf genügend Zeit zum Umstieg auf den MEX 18 in Richtung Stuttgart oder Osterburken besteht. „Eine fahrgastfreundliche Lösung sollte sich hier doch finden lassen“, fordert Sauter. Der VCD befürchtet, dass der zweigleisige Ausbau zwischen Leingarten und Schwaigern noch Jahre auf sich warten lässt und somit die Verschlechterungen auch noch Jahre andauern werden.

Die Grafik verdeutlicht die wesentlichen Änderungen am bestehenden System der Stadtbahn-Linie S4. Zum besseren Verständnis wird die bisherige Stadtbahn-Linie Öhringen – Schwaigern als S44 (grün) bezeichnet, da sie eigentlich nichts mit der aus Karlsruhe kommenden S4 (blau) zu tun hat. Die bisherige Fahrt der S4 von/bis Heilbronn-Pfühlpark übernimmt künftig der RE 45. Die Fahrplanlage des bisherigen S4-Eilzuges von/bis Weinsberg entfällt komplett. ©VCD-HHH

„Es ist, als würde man mit der Axt auf die S-Bahn losgehen, um ein in vielen Jahren gewachsenes, gut funktionierendes ÖV-System mutwillig zu zerstören“, zeigt sich der VCD schockiert. Der VCD ist überzeugt: Der Erfinder der modernen Zweisystem-Stadtbahn und „ÖPNV-Pabst“ Dieter Ludwig aus Karlsruhe, der die Stadtbahn vor 20 Jahren über die Kraichgaubahn in kürzester Zeit nach Heilbronn gebracht und den Nahverkehr der Region damit revolutioniert hatte, würde sich im Grabe umdrehen.

Bereits im Sommer 2022 hat sich der VCD mit einem konkreten Fahrplanantrag an die NVBW gewandt und Korrekturen bei dieser Fehlplanung angemahnt. Dieser findet sich hier zum Download als pdf.

8 Gedanken zu „VCD kritisiert massive Verschlechterungen bei Stadtbahn Heilbronn zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022 – Anzahl der S4-Fahrten wird halbiert und 15-Minuten-Takt zerstört

  1. Genau diese genannten Punkte hatte ich hier ausführlich kritisiert. Damals wurde mein Beitrag noch inhaltlich vom VCD nicht geteilt.

    Es war ja bereits damals klar, dass der Regionalexpress nicht zusätzlich kommt, sondern die S-Bahn Eilzüge ersetzt.

    Daher bin ich nun doch verwundert über den Stimmungsumschwung hier…

    • Danke für den Kommentar. Es war nach der Ausschreibung der Schnellverkehre ja nicht klar, dass zugleich eine Streichorgie beim übrigen Stadtbahn-Verkehr stattfinden würde. Das ist nun natürlich eine komplett andere Situation. Auch der VCD hätte niemals erwartet, dass die Fahrplanlage des bisherigen S4-Eilzuges komplett gestrichen und das 20 Jahre lang funktionierende System der Stadtbahn Heilbronn mit dem 15-Minuten-Takt zerstört werden würde…

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